Zweigleisig (German Edition) by France Carol

Autor:France Carol [Carol, France]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-30T16:00:00+00:00

Stunden später kehrte er an seinen Arbeitsplatz zurück, wo ihn seine Sekretärin unterrichtete, dass Natascha bereits seit geraumer Zeit auf ihn wartete. Kaum dass er sein Büro betrat, erhob sich seine Verlobte vom Besuchersessel und kam aufgebracht auf ihn zu.

„Herr Gott noch mal, Edi. Ich warte schon seit Stunden auf dich, um Neues über deinen Vater zu erfahren. Wann wolltest du mich denn eigentlich über die ganze Sache unterrichten? Es war mehr als peinlich, dass ich erst durch Leute, die ebenfalls im Golfclub anwesend waren, erfahren musste, dass dein Vater zusammengebrochen ist“, erklärte sie mit einem vorwurfsvollem Unterton in der Stimme.

„Tut mir leid, dass ich mich primär um den Zustand meines Vaters gesorgt habe und nicht zuerst eine Rundmail in Umlauf brachte, um alle zu informieren“, entgegnete Edi gereizt, was wohl auch sein Ziel nicht verfehlte, denn Natascha schaltete einen Gang zurück und setzte sich wieder.

„Das verstehe ich natürlich, Honey. Dennoch musst du dich auch einmal in meine Lage versetzen. Wie sieht das denn aus, wenn die Verlobte des Sohnes nicht ebenfalls in die Notaufnahme bestellt wird. Ich gehöre in einer solchen Situation einfach an deine Seite, damit wir nach außen hin eine Einheit vermitteln“, erklärte Natascha und verzog dabei ihre rot geschminkten Lippen zu einem filmreifen Schmollmund.

„Natascha, hör auf mit der Schauspielerei, wir sind schließlich unter uns. Wir beide wissen ganz genau, dass du dich tödlich langweilen würdest, wenn du am Krankenbett meines Vaters sitzen müsstest“, entgegnete Edi und durfte wieder einmal Zeuge werden, wie schnell seine Verlobte die Mimik ändern konnte.

Wie auf Kommando verschwanden Sorge und Anteilnahme aus deren Gesicht. Zurück blieb das schöne, ebenmäßige Antlitz, das jedoch außer Kälte und Distanziertheit wenig ausstrahlte. Natascha war zwar mit ihren hellgrauen Augen und dem blonden, glatten Haar eine Augenweide, doch Edi hatte sie längst durchschaut. Diese Frau war stets nur auf ihren eigenen Profit aus. Dafür war sie bereit, in jede Rolle zu schlüpfen, aber tiefe, ehrliche Gefühle kannte sie nicht.

Elegant schlug Natascha die Beine übereinander, verzog die Lippen zu einem abschätzenden Lächeln und antwortete daraufhin: „Damit hast du vermutlich recht, dennoch will ich meine Unterstützung demonstrieren. Es wird nun viel auf dich zukommen, da wirst du froh sein, wenn dir jemand zur Seite steht.“

„Meinst du jetzt in familiärer oder eher in geschäftlicher Hinsicht?“, fragte Edi abweisend, weil er die Antwort bereits zu kennen glaubte.

„Honey, du hast deinen Vater zwar schon seit einigen Jahren im Betrieb unterstützt, dennoch hat er dir die Führung noch nie ganz alleine übertragen. Daddy und ich sind selbstverständlich bereit, dir so viel wie möglich abzunehmen, damit du deinen Eltern in dieser schweren Zeit vollumfänglich beistehen kannst“, erklärte Natascha mit säuselnder Stimme.

„Nun, das weiß ich natürlich zu schätzen, aber es wird nicht nötig sein. Es dürfte dich freuen zu hören, dass mein Vater zwar Beeinträchtigung von Körper und Sprachvermögen aufweist, sein Verstand hat jedoch kein bisschen Schaden genommen. Wir können miteinander kommunizieren, sodass er mit meiner Hilfe das Unternehmen weiterführen wird.“

Für einen Augenblick fiel die siegessichere Fassade von Natascha in sich zusammen, doch einen Wimpernschlag später hatte sie sich wieder im Griff.

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